«Beerdigen netto»

Einer meiner Berufe ist der des Übersetzers. Aus «fremden» Sprachen in meine eigene, das Deutsche. Um ein guter Übersetzer zu sein, muss ich die «fremde» Sprache verstehen und meine eigene ausserdem lieben… Als Liebhaber meiner Sprache habe ich viel zu leiden, weil immer öfter – vor allem in diesem «Internet» – meine Sprache entweder gar nicht oder nur von diesen «Übersetzungsmaschinen» bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt anzutreffen ist. Das liegt daran, dass dieses «Internet» sagt, eigentlich bräuchten die Wörter anderer Sprachen gar nicht mehr übersetzt zu werden, weil sowieso längst überall die «Weltsprache» verstanden werde. Ein Beispiel: Wenn ein Mensch von etwas sehr beeindruckt ist, sagt er – Sie wissen es: «Wau!» Und zwar den ganzen Erdball rauf und runter, von Kirkenes bis Ushuaia, den ganzen Erdball hin- und herüber, von Tijuana bis Fukushima – alle sagen überall «Wau!» Wozu also dieses Wort übersetzen?  Auf deutsch vielleicht? «Wuff!»

Aber was hat das mit diesem Internet zu tun? Seine Schlüsselwörter sagen es: Internet, World Wide Web, Website, Homepage… Versteht jeder! Brauchen keine Übersetzung.

Oder doch nicht?

Dann verleugne ich jetzt mal den Sprachliebhaber in mir und spiele Übersetzungsmaschine.

«We proudely present you in German»:

World Wide Web: «Diesseitig ausgedehnte Schwimmhäute.»

Internet: «Beerdigen netto.»

Website: «Papierrollenbaustelle.»

Homepage: «Binnendiener.»

Sie finden das nicht lustig? Ich auch nicht. Weil erstens dieses Internet die Beliebigkeit zum Mass aller Dinge macht: «Kommt ja nicht drauf an, Hauptsache gegoogelt.» Und zweitens weil es genauso bedrohlich ist für alle Gesundheiten dieser Welt wie die Krebszelle. Sie gibt keine Ruhe, bis sie jede einzelne Körperzelle von Ushuaia bis Kirkenes, von … Sie wissen schon… ihr selbst gleichgemacht hat, Krebszelle geworden ist. Sie tut also genau das Gleiche wie dieses Internet und seine Übersetzermaschinen.

Sie geben keine Ruhe, bis jedes einzelne Wort in dieser Welt in die neue Weltsprache «Beliebig» übersetzt worden ist:

«Beerdigung netto!»

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Das ist ein Gastbeitrag von Erich Liebi.

Gefallen um jeden Preis

Mit dem Aufstieg von Social Media, allen voran Facebook und Instagram, setzen Brands immer mehr darauf, gefallen zu wollen. Das Lechzen nach Likes ist zur Königsdisziplin geworden. Es nützt jedoch herzlich wenig, wenn die Kommunikation am Ende des Tages keine Verkäufe ankurbelt oder der Brand nicht in den Köpfen verankert bleibt. Ein Like aus Fehraltorf ist wertvoller geworden als dass Frau Meier das Produkt kauft.

Realitätsfremde Theoretiker in Werbung und Marketing huldigen dem Irrglauben, man müsse „Beziehungen“ und „emotionale Bindungen“ zu Produkten und Brands schaffen. Es genügt nicht, dass Produkte gekauft werden: Fans und Followers müssen her! Das Resultat solcher Aktivitäten ist katastrophal: belanglose Social Media Posts von Brands, die verzweifelt um Anerkennung winseln, aber keine Kassen klingeln lassen.

Neben mir liegt eine Banane, die ich bei Coop gekauft habe. Keine Ahnung wie ich mich bezüglich der Banane fühle. Oder was ich über die Banane denke. Geschweige denn was ich über den Brand Coop denke. Die Standardfrage in der Schweiz lautet „Bist du ein Migros-Kind oder ein Coop-Kind?“ Ich bin ein Coop-Kind. Zur Zeit. Weil der Coop gleich um die Ecke ist. Und am Samstag mutiere ich zum fremdgehenden Konsumenten: Ich gehe in die Migros, weil ich dann etwas mehr Zeit habe. Es könnte keine geringere Rolle spielen, ob mir diese beiden Brands gefallen oder nicht, wichtig ist, dass die Produkte keine Ladenhüter bleiben.

Die meisten Social Media Aktivitäten von Brands ignorieren eine Tatsache: Menschen stehen Produkten und Brands ziemlich gleichgültig gegenüber, auch wenn sich Brands noch so gerne als eine wichtige moralische Instanz im Leben der Menschen verstehen möchten. Verschwindet heute ein Brand, taucht morgen ein anderer auf. Kein Mensch wird deswegen in eine Sinnkrise schlittern.

Je schneller Brands sich ihrer kommunikativen Kosmetik entledigen und sich auf die Bewerbung ihrer Produkte konzentrieren, umso eher werden die Verkäufe steigen. Das ist der Zweck kommerzieller Kommunikation, nicht die Befriedigung der Gefallsucht mittels Facebook Likes, Instagram Herzen und Tweets.

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Parvez Sheik Fareed

Das ist ein Gastbeitrag von Parvez Sheik Fareed.

Internet ist ein Grundrecht

Sommerzeit, Reisezeit. Mit meiner Familie verbringe ich die Ferien im Süden Europas. Mit im Gepäck natürlich Rechner und iphone. Zum einen kann und will ich mich als Unternehmer nicht komplett digital abkoppeln, zum anderen gibt es natürlich diverse Apps, deren Nutzung auch in den Ferien Sinn machen. (Von Diegos mahnenden Emails bezüglich meines Blog-Beitrags wollen wir hier gar nicht reden.)

Wozu man ins Netz geht, ist im Grunde auch egal. Fakt ist auf jeden Fall, dass heute jeder ein mehr oder weniger intensives digitales Leben führt. Was im Ausland nach wie vor teuer ist. 14,95 Euro für eine Woche Datenroaming (in Europa), wobei die Verbindung nach dem Verbrauch von 300 MB Datenvolumen auf Edge-Geschwindigkeit gedrosselt wird. Edge ist übrigens die Geschwindigkeit beim Surfen, bei der man es auch lassen kann.

Jetzt sind die Roaming-Gebühren in den letzten Jahren – der EU sei Dank – immer weiter abgesunken, und ab Juli 2017 sollen sie dann ganz entfallen. Aber vom Roaming mal abgesehen, stellt sich schon die Frage, ob man nicht ein Grundrecht auf einen schnellen Internetzugang haben sollte.

Die Schweiz liegt in der Rangliste der Länder mit den schnellsten Internetzugängen auf Platz 5. Glückwunsch. Deutschland auf Platz 25. Das ist peinlich für eine führende Wirtschaftsnation. Und zeigt, dass die politisch handelnden Akteure in Deutschland sich der Bedeutung der fortschreitenden Digitalisierung nicht bewusst sind. Beziehungsweise, dass sie die Chancen nicht erkennen und nutzen wollen.

Es geht ja nicht nur um Telefonieren und im Netz surfen. Es geht um selbstfahrende Autos, digitale Gesundheitsdienste, vernetzte Häuser, die Revolutionierung des Handels, den Einsatz von Virtual Reality, ein neues Finanzsystem, künstliche Intelligenz, und, und, und.

Gedanklich war ich in den Ferien viel im Silicon Valley, habe zwei Bücher und zig Zeitschriften darüber gelesen und schon mal über die Internationale Grundschule in Palo Alto recherchiert. Mich fasziniert dieser unbedingte Fortschrittsglaube, das Erkennen von Möglichkeiten, das Denken des Unvorstellbaren. „Shooting for the moon“ nennen das die Amerikaner. Da können wir uns eine Scheibe von abschneiden. Wir müssen ja nicht direkt zum Mond fliegen. Vernünftiger Breitbandausbau, flächendeckendes schnelles LTE-Mobilfunknetz und freies WLAN an öffentlichen Plätzen wären ja mal ein Anfang.

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Rainer Kunst

Das ist ein Gastbeitrag von Rainer Kunst.