«Animierter Mist» und andere Schönheiten

Erinnern Sie sich noch, als Websites mit Flash «zum Leben» erweckt wurden? Alles blinkte, war schick, modern und total «in». Benutzerfreundlichkeit wurde dabei von manch hipper Agentur und selbst ernannten Webgurus gerne in die Schublade alternder Webent­wickler und Ewiggestriger gesteckt und belächelt. Nach fast 30 Jahren Siegeszug des Internets in allen gesellschaftlichen Schichten und auf der ganzen Welt haben viele Technologien überlebt; «Flash» jedoch gehört nicht dazu.

Dass die damalige Technik eine «CPU-Sau» war, wie Steve Jobs in einem Gespräch an der Wall Street bemerkte, sei zwar erwähnt, allerdings nicht weiter kommentiert (obwohl eben diese Aussage für viele Menschen Apple wieder auf Sympathiekurs brachte).

Das zentrale Problem hat sich aber nicht mit dem Niedergang von Flash erledigt, sondern erlebt mit anderen technischen Möglichkeiten in etlichen Netzauftritten (leider) eine Renaissance tot gehoffter Spielereien oder «Animatiönchen». Damit sei mit keiner Silbe gesagt, Firlefanz sei per se schlecht (obwohl das Wort schon einiges aussagt, nicht?).

Unabhängig von allen Technologien bleiben die grundlegenden Fragen beim Erstellen von Websites und Webapplikationen: Was ist die Botschaft, und wie erreiche ich damit schnellstmöglich meine Zielgruppe? Die Geschwindigkeit ist dabei kein sinnloses Füllwort, sondern zentral und essenziell bei der Konzeption, dem Aufbau und Betrieb zielgruppengerechter Internetauftritte.

«Krimskrams und sonstigen ‹animierten› Mist», wie von einem hochdekorierten Webkonzepter (unter Ausschluss der Öffentlichkeit bzw. seiner beratungsresistenten Kunden) messerscharf analysiert wurde, «kannst du knicken, wenn deine Website soliden Inhalt hat.»

Punkt und Amen.

Keine Frage? Falsche Frage!

Sie freuen sich über täglich 400 Besucher in Ihrem Laden – phänomenale fünf Minuten bleiben sie durchschnittlich in Ihrem Geschäft, laufen mehrmals durch die Regalreihen und begutachten verschiedentlich die Produkte.

Das sind beeindruckende Zahlen.

Wissen Sie auch, wie viele Produkte am Ende des Tages verkauft wurden? Und ob etwaige Kunden sich bei Ihrem Personal um weitere Informationen bemüht haben? Oder ob sich irgendjemand von Ihrer Rabattaktion überzeugen lassen hat? Immerhin war das lustige Plakat an der Eingangstüre nicht billig, und zudem mussten Sie für die Aktion die Logistik sicherstellen und zusätzlich die Agentur beauftragen.

Selbstverständlich wissen Sie das alles genau: Sie sind glücklicherweise kein Idiot und überprüfen im echten Leben penibel Ihre geschäftlichen Aktivitäten. Alles andere wäre nicht nur unprofessionell, sondern der eigenen Belegschaft gegenüber ein Verbrechen.

Aber haben Sie über Ihre Website die gleiche Kontrolle?

Beängstigend, wie oft Messwerte aus Websites «irgendwie» ausgelegt werden, ohne die richtigen (oder überhaupt!) Fragen zu stellen.

Denken Sie, viele Websitebesucher seien ein Qualitätsmerkmal Ihres Webauftrittes, die Aufenthaltsdauer sage irgendetwas über den Besuch aus, die Anzahl der besuchten Seiten sei mit Interesse zu erklären und eine hohe Absprungrate bedeute das Ende der Welt …? Wissen Sie das alles oder vermuten Sie es nur?

Statistikprogramme faszinieren mit Zahlenreihen, farbigen Tabellen, Kuchendiagrammen und schier endlosen Daten.

Ohne die richtigen Fragen sind Statistiken jedoch unbrauchbar. Erinnern Sie sich daran: Ich esse zwei Brote, und Sie erhalten keinen Bissen davon. Statistisch betrachtet haben wir beide je ein Brot gegessen – in der Realität sind Sie aber verhungert.

Und ich wurde fett.

Was für ein Sommer!

Bald schon, an kühleren, dunkleren Tagen, werden wir uns wieder der Nostalgie hingeben und unsere Handyfotos vom Sommer aufrufen. Dass diese in einer Cloud von Google, Microsoft, Apple & Co. oder bei einem sozialen Medium wie Facebook und Konsorten gespeichert sind, versteht sich heute von selbst. All diese Services sind «irgendwie» gratis, besitzen tolle Funktionen, und die Bilder lassen sich ganz simpel mit anderen teilen.

Doch solche Dienste sind nicht gratis für uns, sondern wir schenken Google & Co., ohne nachzudenken, gigabyteweise Daten, Bewegungsraster, Menschengesichter und (!) die Verstrickungen und Verbindungen zwischen diesen Informationen. Wenn Sie etwa die Gesichtserkennung – im Sinne einer anarchischen Punkattitüde – ausgeschaltet haben, hat sicherlich jemand in Ihrem Umfeld die Funktion dennoch aktiviert, und: *knips* …

Da Sie sehr wahrscheinlich im Adressbuch Ihres Gegenübers gespeichert sind, erfahren Google & Co. eben indirekt, wo und mit wem Sie unterwegs waren – nicht über Ihr eigenes, sondern über das Datenmaterial Ihrer Freunde. (Unabhängig davon haben Sie kaum je das Handy-GPS ausgeschaltet, dafür sind die Onlinedienste einfach zu nützlich.)

Ob fragliche Daten in dieser userübergreifenden Form analysiert werden, lässt sich nicht abschliessend beantworten. Dass es technisch möglich ist, steht aber ausser Frage. Dass sich Unternehmen zu 100 % an den Datenschutz halten, ist Wunschdenken: Man schenkt einem Grosskonzern besser nicht blind Vertrauen, man kontrolliert ihn.

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal mit der unsichtbaren Hand von Adam Smith argumentieren: Nein, der Markt reguliert sich beim Datenschutz nicht selbst.

Es braucht Regeln und erwachsene User. Ersteres ist lösbar; am ganz und gar mündigen Internetnutzer zweifle ich.