Servicewüste.

In den letzten Tagen habe ich mich dermassen über fehlende Dienstleistungsbereitschaft und idiotische Kontaktformulare aufgeregt, dass ich meine 1800 Zeichen hier liebend gerne einfach mit Schimpfwörtern füllen würde. Und womöglich würde es der Chefredaktor aus Jubiläumsgründen – es ist die 100. Kolumne! – sogar durchgehen lassen.

Warum auf Websites Kontaktformulare aufgeschaltet werden, die nur Mussfelder führen und ohne Lupe kaum zu lesen sind, ist nicht nur unverständlich, sondern sinnwidrig und eine Beleidigung für jeden potenziellen oder bestehenden Kunden.

Noch schlimmer sind nur Kundendiensttelefonate, bei denen man nach der eigenen Kundennummer gefragt wird …

Viele Firmen reagieren tatsächlich nicht etwa mit Freude auf einen neuen oder wiederkehrenden Kunden, sondern betrachten ihn vielmehr als ein Ärgernis: Kann dieser Depp nicht besser woanders einkaufen?!

Oftmals möchte man Onlineshops, Kontaktformulare, Support-E-Mails, Chatbots oder Hotlines anschreien: «ENTSCHULDIGUNG BITTE, DASS ICH IHR KUNDE SEIN MÖCHTE! ICH HABE GELD UND WÜRDE ES GERNE AUSGEBEN.»

Bevor Sie nun zustimmend nicken, sollten Sie vorab Ihre eigene Website und die internen Abläufe überprüfen: Wie sieht’s damit aus? Sind die Kontaktmöglichkeiten im Web korrekt und aktuell? Gut auffindbar? Dem Gerät entsprechend gelayoutet? Sind die Formulare einfach auszufüllen? Benutzerfreundlich? Kann man anrufen, schreiben, um Rückruf oder um Mailantwort bitten? Wie schnell werden Anfragen bearbeitet?

Wenn eine Firma länger als 6–12 Stunden zum Antworten braucht, hat sie Neukunden – streng genommen – nicht verdient. Dass im Schulbuch 12–24 Stunden geschrieben steht, tut nichts zur Sache, denn massgeblich ist nicht, was die Firma zu wissen meint, sondern was der Kunde fühlt: Werde ich hier verarscht?

 

 

 

Das Elend mit den Benutzern?

Natürlich war früher alles besser! Im Eldorado der Pionierjahre des Internets in den 1990er-Jahren war vieles erlaubt – man wusste es glücklicherweise nicht besser. Die Anbieter experimentierten mit steinzeitlichen Technologien der ersten Internetbrowser, die damals als CD-ROM (!) den Zeitungen beigelegt wurden, und die Benutzer surften durch Websites, die – nach heutigen Kriterien – wenig mit modernen Webauftritten gemein hatten – konnten sie ja auch gar nicht.

Aber stimmt das?

Um es vorwegzunehmen: Nein, es stimmt nicht.

Geändert haben sich in erster Linie die Technologien (zum Glück!), die Möglichkeiten (was für eine Freude!) und die Zugriffsgeschwindigkeiten (Gott sei Dank!) – jedoch sind die menschlichen Bedürfnisse nach Einfachheit und Vereinfachungen über die Jahre und Jahrzehnte gleich geblieben. Verbesserungen, Optimierungen, Weiterentwicklungen und Erfindungen entstehen aus Missmut: Der Motor technischer Entwicklungen ist Unzufriedenheit.

Websites wurden über die Jahre aufwendiger, designstärker, schneller, zielgerichteter, im Funktionsumfang erweitert und mit sozialen Medien gepfeffert. Doch sowenig Spezialeffekte über die fehlende Handlung in einem Film hinwegtäuschen, sowenig lassen sich Websitebesucher durch unnötige Spielereien oder Designfehler in die Irre führen: Der Klick zur Konkurrenz ist damit sicher und somit das Userverhalten exakt gleich wie anno dazumal.

Dass der Job des Webdesigners nur «cool» sei, solange man die Nutzer bei Konzeptüberlegungen aussen vor lässt, scheint bei manchen Unternehmen – um es provokativ zu formulieren – die Leitidee für Webaktivitäten zu sein. Ob sich das ändern lässt?

Denken Sie scharf nach – Sie kennen die Antwort!

 

 

 

 

 

 

20 Fragen – und ein Ausrufezeichen am Schluss.

Fragen zu ignorieren, wenn man die Antworten fürchtet, ist weit verbreitet. Doch hilft uns eine derartige Verhaltensweise nicht über Unsicherheiten hinweg … Es bleibt ein Grummeln im Bauch, das uns zu Hause nicht schlafen lässt und uns tagsüber den Büroalltag versaut.

Manchmal helfen auch keine säuberlich konzipierten und strukturierten Handbücher, sondern nur die schlichte Masse von Fragen, um uns bewusst zu machen, dass gewisse Dinge grösser sind, als wir zuerst meinen. Oft ist mehr Wunschdenken in der individuellen und geschäftlichen Realität zu finden als in Grimms Märchen.

Ist der Webauftritt SSL-verschlüsselt? Wie schnell lädt die Website auf mobilen Geräten? Gibt es überhaupt ein Konzept für die Inhaltsdarstellungen auf Desktops, Handys, Smart-TVs, Tablets etc.? Gibt es Facebook-, Instagram-, Twitter-, LinkedIn-, Xing- oder Google-My-Business-Accounts? Aktualisiert sich die Sitemap dynamisch, wenn Inhalte redigiert oder neu erfasst werden? Auf welche Stichwörter sind die einzelnen Seiten optimiert? Konkurrenzieren sie sich untereinander? Gibt es Inhaltsüberlappungen? Wo sind die Kontaktdaten hinterlegt? Klickbare Telefonnummern? E-Mail-Adressen? Maps eingebunden? Läuft Google Analytics? Wer überwacht die entsetzlichen – wenn auch wichtigen! – Datenschutzbestimmungen? Wer die Cookie-Schleuder? Warum steht der Webauftritt nicht an oberster Stelle auf der Prioritätenliste? Was wollen Sie überhaupt im Web erreichen? Und wer überwacht das? Folgt das Design dem Konzept, und entspricht dieses dem Geschäftszweck? Wollen Sie noch mehr?

Ehrlichkeit macht die Dinge nicht besser – aber zumindest schafft sie eine entwaffnende Sicht auf die Realität und zeigt auf, wo Verbesserungspotenzial liegt.

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