48-Mal-abgemeldet.

Ziemlich genau vor vier Jahren, im November 2008, meldete ich den Newsletter einer Westschweizer Bausanierungsfirma zum ersten Mal ab.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2012 und der Newsletter von ennet dem Röstigraben erreicht mit unverschämter – und monatlicher – Regelmässigkeit noch heute meinen elektronischen Briefkasten. Dass eine Bausanierungsfirma viel zu erzählen weiss und auch juristische und handwerkliche Tipps auf Lager hat, macht die Sache aber tatsächlich nicht besser: Denn obschon zwischen An- und Abmelden nur ein einziger Buchstabe den Unterschied macht, so ist er doch entscheidend.

Das scheint aber die dortige Datenbank nicht weiter zu interessieren. Alle paar Wochen meldet mein Mailprogramm den Eingang eines Newsletters aus dem Kanton Waadt. Und mit gleicher Regelmässigkeit überfliege ich die Tipps gegen Schimmelpilze oder die juristischen Hinweise für Asbestsanierer, um dann mit grösstmöglicher Härte auf den „Abmelden“-Link zu klicken. Aber weder sanfte noch harte Klicks haben es je geschafft, mich von diesem Newsletter zu befreien.

Letztes Jahr hat meine Computermaus – selig! – einen ausserordentlich harten Klick nicht überlebt. Und ich hätte ebendieser Firma fast eine Spesenrechnung über die Höhe meiner Computermaus und mindestens 36-Abmelde-Klicks à zwei Sekunden geschickt. Der Aufwand war mir dann aber zu gross und der mögliche Preis der Lächerlichkeit zu hoch.

Ob sich nun hinter dieser Taktik eine neue Form von Kundenbindung versteckt oder ob ich einfach zu dumm bin, um mich abzumelden, weiss ich nicht. Das ist aber auch nicht weiter schlimm.

Seit ein paar Monaten nämlich überfliege ich den Newsletter gewissermassen ganz gerne und klicke mit vollster Härte auf den „Abmelden“-Link:

Es ist eben doch Kundenbindung.

Die dritte Dimension.

Achthundertzweiundfünfzigtausend Schweizerfranken. Das ist mein Gewinn im Schweizer Lotto. Muss ich Ihnen erklären, wie sich das „Vor-Glück-in-Ohnmacht-fallen“ anfühlt? Wahrscheinlich nicht. Und dass der Staat sich einen guten Teil davon nimmt, stört auch nicht weiter.

Als guter Schweizer Bürger (aber mit italienischen Wurzeln aus Venetien) denkt man dann nicht an den schönsten Ferrari aller Zeiten oder an rohe Fischeier, sondern ganz bieder an die eigenen vier Wände. So schön, so gut.

Nun möchte ich Ihnen aber nicht über die grundlegende Schwierigkeit, im Grossraum Zürich eine geeignete Wohnung zu finden, berichten. Das ist in der Schweiz bekanntlich Allgemeinwissen und eine Kindergartenweisheit. Erstaunen tut mich aber – wohlgemerkt im Jahre 2012! – wie auf manchen Immobilienwebsites immer noch einfallslos, dürftig und ohne jede technologische Hilfe um potenzielle Käufer gebuhlt wird. Da fehlen teilweise nicht nur detaillierte Grundriss- oder Umgebungspläne, sondern auch Verfügbarkeits- oder Preislisten (!) und noch öfter sucht man vergebens nach professionell erstellten 3-D-Ansichten der Wohnungen sowie Aussichtssimulationen.

Ich frage mich dann ernsthaft, ob ich als potenzieller Kunde nicht ernst genommen werde oder vielleicht doch zu sensibel reagiere.

Aber nein: Es ist nicht arrogant, wenn man als Kunde umgarnt werden will. Immerhin ist ein Wohnungskauf für die allermeisten Menschen eine Einmal-im-Leben-Geschichte und demzufolge eine richtig grosse Sache.

Eine Immobilienwebsite muss natürlich Fakten liefern, aber sie muss auch den Träumen Platz verschaffen: Und hierzu gehören heutzutage mitunter professionell erstellte 3-D-Ansichten und Aussichtssimulationen.

Denn träumen sollte man immer dürfen – auch in einer Kolumne.

Lupe.

Nicht nur beim Erklimmen von Pässen mit dem Rennrad merke ich, dass ich älter werde, sondern auch an banalen Dingen des Alltags. Meine Rennrad-Ambitionen lassen nach, die technischen Geräte um mich herum werden immer schneller und komplexer und Leonie, mein „Göttimeitli“, erklärt mir, wie ich auf Webseiten zu surfen habe: „Dänk, da klickä, nöd dettä.“

Älter zu werden, ist eine gute Sache: Man wird (hoffentlich) gelassener, hat in manchen Dingen eine bessere Übersicht, die guten Freunde haben sich bewährt und man weiss, auf wen man sich verlassen kann. Ärgerlich hingegen ist es, wenn man fürs Älterwerden durch falschen Einsatz von Technologien bestraft wird…

Dass moderne Bildschirme heutzutage unglaubliche Bildschirmauflösungen haben und mit weit über 1600 Pixeln in der Breite – im wahrsten Sinne des Wortes – punkten, ist natürlich eine Wohltat und ein willkommener Fortschritt. Wenn aber der Homepage-Gestalter die Schriftgrössen nicht an die höheren Bildschirmauflösungen anpasst, dann brauche ich keine bessere Brille, sondern ein Vergrösserungsglas.

Vor Kurzem hätte ich für einen befreundeten Architekten auf einer Texturendatenbank im Internet nach einem Baumaterial suchen sollen. Da ich aber genauso ausgeglichen bin wie Kapitän Haddock bei „Tim und Struppi“, brach ich die Übung nach wenigen Minuten ab. Die viel zu kleinen Schriften auf der Website entlockten mir eine wirklich ernstgemeinte Schimpftirade: „Schriftterroristen! Bildschirmanalphabeten! Computertöpfe! Sonntagsprogrammierer! Clubschulen-Designer!“.

Leonie, welche bis anhin konzentriert in ihrem Bilderbuch blätterte, musste Tränen ob meinem Ausbruch lachen. Als sie dann über den oberen Rand ihres Bilderbuches auf meinen Bildschirm schielte, meinte sie einsilbig: „Mach die Schrift grösser, ich kann nix lesen.“

Die Wahrheit kann so schön sein.