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Nach Eintippen meiner Suchwörter in Google erhalte ich erstaunlich viele Suchergebnisse und klicke – wie es sich für Internet-User der ersten Stunde gehört – nicht beim erst-, sondern beim zweit- oder drittplatzierten Suchergebnis.

Mich begrüsst eine Bleiwüste. Und zwar eine, die der Definition nicht nur alle Ehre macht, sondern fraglos als Grundlage für ebendiese Definition dient. Die gefundene Website besitzt kein erkennbares Design, sondern besteht hauptsächlich aus Buchstaben, die bei näherem Betrachten durchaus die Form eines Textes annehmen, welchen man mit viel Konzentration und eisernem Willen lesen kann. In solchen Momenten wird mir bewusst, warum Schriftsetzer und Typografen auch heute noch die wahren und einzigen Helden der Benutzerfreundlichkeit sind.

Also kämpfe ich mich durch den Text und versuche den Erklärungen für „Bautrocknung“ im Detail zu folgen. Die ausserordentlich scharfzüngige Bemerkung meines Geschäftspartners (ob ich einen Pixel am Bildschirm verloren hätte) überhöre ich gütig, wohl wissend, dass meine auf wenige Zentimeter geschrumpfte Nähe zum Bildschirm eine solche Aussage durchaus provozieren könnte.

Nach zehn Minuten gebe ich auf. Der Back-Button bringt mich mit einem Gefühl des Nachhausekommens zurück zu Google. Beim nochmaligen Überfliegen der Suchergebnisse finde ich die gesuchten Antworten im Titel eines Links, klicke drauf, lese den Artikel über die SIA-Norm 253/5 und bin glücklich.

Warum Unternehmen immer noch halbe Romane im Web publizieren und diese weder mit einer sinnvollen Schriftgrösse formatieren noch mit lesefreundlichen Zwischentiteln und Abschnitten versehen, ist mir ein Rätsel. Die Freude am Lesen und an der Website wird damit sicher nicht gefördert.

Und damit auch nicht die Freude am Unternehmen.

Iu-sa-bi-li-ti!

Dieser Anglizismus ist für die deutsche Sprache eine Frechheit sondergleichen. Noch umständlicher aber ist die Übersetzung in „Benutzerfreundlichkeit“. Man stolpert in einem sagenhaft langen Wort über acht Vokale und bricht sich – fast wörtlich – die Zunge daran. Die Länge des Wortes widerspricht der Einfachheit der Bedeutung.

Die Diskussionen, Konzepte, Strategien und Ausführungen um den Begriff und das Wesen der „Benutzerfreundlichkeit“ oder der „Gebrauchstauglichkeit“ im Internet sind indes seit je her ausgesprochen wichtig und haben im Laufe der Zeit bestimmt zu besseren – weil einfacheren – Websites geführt. Dennoch geht es im Internet eben nicht nur um die Einfachheit von Websites, sondern in erster Linie um die Erbringung von Dienstleistungen. Und nicht nur daran hapert es leider noch vielerorts.

Auf einer Baustelle in Norddeutschland las ich vor ein paar Wochen auf einer Bautafel: „Unsere Website informiert Sie detailliert über den Baufortschritt.“ Das nahm ich selbstverständlich wörtlich und habe voller Vorfreude über den abgebildeten QR-Code mit meinem Mobiltelefon die Website aufgerufen.

Und dann war ich sprachlos.

Die aufgerufene Seite war – erstens – für mobile Endgeräte optimiert, sie erklärte – zweitens – um was es bei dieser Baustelle ging, zeigte – drittens – den momentanen Stand der Dinge auf den heutigen Tag (!) aktualisiert an und stellte – viertens – eine Kontaktperson für weiterführende Informationen vor.

Nachdem ich die Sprache wieder gefunden hatte, klickte ich auf die Telefonnummer. Der Herr am anderen Ende der Leitung freute sich gleichermassen über meinen Anruf wie ich mich über seine Website.

Dass ich dabei nur die Hälfte des Telefonats verstanden habe, hat wohl einzig mit der plattdeutschen Sprache zu tun. Die ist nämlich alles andere als einfach.

48-Mal-abgemeldet.

Ziemlich genau vor vier Jahren, im November 2008, meldete ich den Newsletter einer Westschweizer Bausanierungsfirma zum ersten Mal ab.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2012 und der Newsletter von ennet dem Röstigraben erreicht mit unverschämter – und monatlicher – Regelmässigkeit noch heute meinen elektronischen Briefkasten. Dass eine Bausanierungsfirma viel zu erzählen weiss und auch juristische und handwerkliche Tipps auf Lager hat, macht die Sache aber tatsächlich nicht besser: Denn obschon zwischen An- und Abmelden nur ein einziger Buchstabe den Unterschied macht, so ist er doch entscheidend.

Das scheint aber die dortige Datenbank nicht weiter zu interessieren. Alle paar Wochen meldet mein Mailprogramm den Eingang eines Newsletters aus dem Kanton Waadt. Und mit gleicher Regelmässigkeit überfliege ich die Tipps gegen Schimmelpilze oder die juristischen Hinweise für Asbestsanierer, um dann mit grösstmöglicher Härte auf den „Abmelden“-Link zu klicken. Aber weder sanfte noch harte Klicks haben es je geschafft, mich von diesem Newsletter zu befreien.

Letztes Jahr hat meine Computermaus – selig! – einen ausserordentlich harten Klick nicht überlebt. Und ich hätte ebendieser Firma fast eine Spesenrechnung über die Höhe meiner Computermaus und mindestens 36-Abmelde-Klicks à zwei Sekunden geschickt. Der Aufwand war mir dann aber zu gross und der mögliche Preis der Lächerlichkeit zu hoch.

Ob sich nun hinter dieser Taktik eine neue Form von Kundenbindung versteckt oder ob ich einfach zu dumm bin, um mich abzumelden, weiss ich nicht. Das ist aber auch nicht weiter schlimm.

Seit ein paar Monaten nämlich überfliege ich den Newsletter gewissermassen ganz gerne und klicke mit vollster Härte auf den „Abmelden“-Link:

Es ist eben doch Kundenbindung.