Liftfahren.

Das neue Jahr 2013 war kaum eine Stunde alt, schon lief mir ein Geschäftsgenosse über den Weg: Auch er ursprünglich gelernter Kommunikationsberater, nun aber Chef de Réception eines renommierten Hotels und damit noch näher am Kunden als früher.

Wenn sich nun Zwei finden, die ein gemeinsames Thema zum philosophieren entdecken, so geht’s – Sie kennen das bestimmt aus eigener Erfahrung zu Genüge – ziemlich schnell und direkt zur Sache. Vor allem wenn kein Futterneid zwischen den Gesprächspartnern herrscht.

Und so schoben wir uns gegenseitig die Internet-Stichwörter der letzten fünfzehn Jahre zu und ein jeder von uns wusste dazu eine Geschichte oder aber mindestens eine kleine Weisheit zu berichten: Angefangen beim ersten (legendären) Netscape Navigator über den Jahre dauernden Browserkrieg zu den Anfängen von Google und den bewegten Bilder im Web bis hin zum katastrophalen Börsengang des zuckerberg‘schen Imperiums amüsierten wir uns köstlich und kurzweilig.

Auch ein kurzer Ausblick auf das neue und noch jungfräuliche Jahr durfte natürlich nicht fehlen. Themen wie die Netzneutralität, der Datenschutz, die erweiterte Realität (Augmented Reality), das Rechnen in der Wolke (Cloud-Computing) oder Unternehmen wie Facebook, Apple, Amazon, Samsung und Microsoft – so waren wir uns in der mittlerweile leidenschaftlich geführten Diskussion einig – werden uns im 2013 beschäftigen und für interessanten Gesprächsstoff sorgen.

Im Lift, der uns beide in den zweiten Stock fuhr, erwähnte mein Gesprächspartner (endlich!) den Grund seines Rückzugs aus dem Internetgeschäft. Wenn alle Kunden, so seine Worte, verstanden hätten, dass Websites nicht komplizierter als die Bedienung von Liften sein dürften, dann würde er wohl noch heute Websites bauen.

Daran arbeite ich auch. Tagtäglich.

Und zum Glück – so meine bescheidene Erfahrung – wollen immer weniger Kunden „stecken bleiben“.

Falsches Spiel.

Damit Sie nicht denken, der Bernardini habe schon wieder Lotto gespielt, beginnt diese Kolumne nicht mit einer runden und grossen Zahl.

Was aber im Grunde sehr schade ist, denn der Kolumnentitel „10‘000 Fans für nichts“ hätte bestimmt den einen oder anderen Leser, der diese Ihnen vorliegenden Seiten bereits überblättert hat, aufgehalten und zum Lesen animiert.

Wie mir ein befreundeter Client-Service-Director (Werbeberater mit Cheffunktion) jüngst erzählte, hat ein namhaftes Immobilien-Unternehmen, um von knapp wenigen Hundert Facebook-Freunden auf sagenhafte 10’000 Freunde zu wachsen, ordentlich in die Tasche gegriffen. So wurde nicht nur in ganz viele Anzeigen auf Facebook und im Google-AdWords-Netzwerk investiert, sondern es wurden – entgegen der Empfehlung der Werbeagentur – auch „Freunde“ eingekauft.

Das Prinzip des Freundekaufens ist weder neu noch kompliziert aber dennoch effektiv: Firmen (mit wenigen Freunden) bezahlen anderen Firmen (mit wahnsinnig vielen Freunden) – zum Beispiel – 25 Rappen für die Vermittlung eines Freundes. Diese dubiosen Firmen überweisen ihrerseits dann fünf Rappen den eigenen, klickfreundlichen Freunden.

Nun ist aber ein kleiner aber wichtiger Unterschied zu bemerken: Die Freunde der Vermittler-Firmen sind hauptsächlich schlaue Leute, die gerne einfach Geld verdienen wollen. An den vermittelten Unternehmen haben sie nur insofern Interesse, als dass sie ein paar Rappen pro Klick auf „FreundIn hinzufügen“ erhalten.

Dass sich nun die 10‘000 Freunde weder auf der Facebook-Fanseite noch im Umsatz bemerkbar machen, erstaunt niemanden. Die Lehre daraus ist einfach: Freunde kann man nicht kaufen – man muss sie sich auch im Internet verdienen.

Mit Lottospielen hätten die Immobilien-Leute nicht mehr verloren, aber vielleicht einiges mehr gewonnen. Mehr Spass hätte es auf jeden Fall gemacht.

Website und Social Media: Weshalb eine gepflegte Webseite die Pflicht und Social Media die Kür ist.

Da lehrt man uns jahrelang, der Entwicklung und Pflege von Unternehmens-Websites viel Herzblut und noch mehr strategisches Wissen zu opfern und nun soll alles vorbei sein? Nur weil ein paar junge (und durchaus intelligente) Köpfe vor wenigen Jahren Social-Media-Plattformen aus dem Boden gestampft haben? Das Internet – so könnte man fast meinen – existiert nicht mehr: Es gibt nur noch Facebook und ein paar Brösel daneben.

Doch so ist es zum Glück nicht.

So wenig wie Facebook das Internet ist, so wenig lässt sich gleichzeitig das Internet im Jahre 2012 ohne Facebook beschreiben. Dennoch scheinen bei vielen Unternehmen die Social-Media-Massnahmen überhandzunehmen. Und dabei wird viel zu oft und immer häufiger die gute alte (und bewährte!) Website vernachlässigt.

Kann man 20 Jahre nach dem ersten echten Browser und vier Jahre (!) nach der internationalen Lancierung von Facebook auf die eigene Webseite verzichten? Ist der Social-Media-Auftritt mittlerweile wichtiger als die eigene Webseite?

Social Media ist ein Sammelbegriff für Medien, in denen Erfahrungen, Meinungen, Bewertungen, Dateien oder Informationen unter Internetnutzern ausgetauscht werden. Dass diese Spielwiese der Konsumenten von Unternehmen gerne für eigene Werbe- und Marketingzwecke benützt wird, steht ausser Frage. Und dass man damit durchaus gutes Geld, aber vor allem – sofern es professionell koordiniert wird – gute Kontakte knüpfen und damit positiv auf das Firmenimage einzahlen kann, steht ausser Diskussion.

Sind nun aber Social-Media-Massnahmen tatsächlich Website-Killer?

Die Frage mag berechtigt sein, ist aber dennoch falsch. Die klassische Website (und auch die einfache E-Mail) wurden in den letzten 15 Jahren mehr als einmal totgesagt. Aber Totgesagte leben länger – nie war das Sprichwort treffender als in diesem Zusammenhang. Daher muss man nicht die hellseherischen Fähigkeiten eines Kartenlegers haben, um oben formulierte Frage ganz klar und mit Betonung zu verneinen. Ganz im Gegenteil erhält die Unternehmenswebsite je länger je mehr die wichtigste Rolle im digitalen Universum: Sie ist und bleibt das Kernstück der Online-Kommunikation und dient zusätzlich als Verweis für alle anderen Online-Dienste, die ein Unternehmen pflegt und unterhält. Das sind unter anderem Produkt- oder Service-Mikrosites, Newsletter, Apps für mobile Endgeräte, Downloadverzeichnisse, Xing- oder Linkedinprofile, Facebook-Fanseiten, Twitter-Acounts, YouTube- oder Vimeo-Ecken. Websites bleiben somit zentraler (und wichtigster!) Erfolgsbaustein der unternehmensweiten, digitalen Kommunikation, weil sie Vertrauen schaffen, überzeugen und die Marke ohne Nebengeräusche positionieren. Social-Media-Kanäle hingegen erfüllen andere – nicht minder wichtige – Funktionen im modernen Kommunikationsmix. Das eine gegen das andere auszuspielen, zeugt von kurzfristigem Denken.

Die Frage ist demnach nicht, ob man auf eine Website zugunsten von Social-Media-Massnahmen verzichten kann, sondern ob man neben der gepflegten und professionell gebauten Website noch genügend Ressourcen für Social-Media-Massnahmen hat.

Ist das nun eine Absage an all die wunderbaren Social-Media-Plattformen? Nein, ganz im Gegenteil. Aber Social-Media-Massnahmen sind in der Klaviatur des Kommunikationsmixes wie alle anderen Massnahmen auch nur jeweils einzelne Tasten.

Doch nicht die Tasten machen die Musik.
Es ist die Komposition.