Warum das Internet auch 2017 «endlich» ist.

Den Titel darf man getrost auf zwei Arten interpretieren: Das Internet ist «endlich» da – im Sinne, dass es da ist, wo es sein sollte (wobei sich die Frage stellt, wie sich das «Wo» beim Internet definieren lässt), oder aber das Internet kann ein Ende haben.

Das ist so eine Sache mit derlei Fragen: Auch Mandelbrot-Grafiken haben ein schönes – schwierig vorstellbares – Konzept: Einerseits ist die Fläche der Grafik nicht unendlich, anderseits aber ist der Umfang unendlich. Ähnlich wie beim Kopf eines Menschen: Das Volumen ist endlich, aber die Dummheit, die sich darin ausbreiten kann, ist unendlich. (Dieses Beispiel ist wohl einfacher verständlich.) 😉

Aber – um den Titel der Kolumne wieder aufzunehmen: Die Unendlichkeit des digitalen Raumes verführt oft zu gut gemeinten, aber dennoch falschen Überlegungen und Designideen, sodass manche Website ohne Anleitung nicht zu besuchen ist. Unnötige Inhalte, verschachtelte Strukturen, nicht webtaugliche Grafiken und konzeptlose Hierarchien sind leider nicht unüblich, wenn man die Unendlichkeit als Freikarte betrachtet, um alles online zu stellen, was Tastatur und Aufnahmegeräte hergeben.

Doch das ist – welch Glück – falsch. Denn auch wenn der verfügbare (digitale) Raum keine Grenzen hat, so haben dagegen die Besucher – also wir Menschen! – eine begrenzte Aufnahmefähigkeit von Informationen. An dieser Stelle setzt das Konzept des «minimalen Designs» an. Der Ansatz stellt den «unendlichen» Internet-Raum infrage und definiert eine räumliche (und zeitliche) Knappheit.

Folgt man dem «minimalistischen» Ansatz in seiner vollen Schönheit, dann fragt man sich bei jedem Inhaltspunkt, ob dieser auf die Website muss, ob der Text nicht noch weiter gekürzt werden kann, ob es tatsächlich zwei Bilder sein müssen, ob die Positionierung der Website nirgends verwässert wird, ob …

Meine Mutter sagt, dass die Schönheit einer Rose durch eine zweite oder mehr Rosen vermindert wird: Schenke einem geliebten Menschen nur immer eine einzelne Rose, denn die Schönheit liegt in der Einmaligkeit.

So sei es.

PS: Die besten Wünsche für ein tolles Zwanzigsiebzehn:
Rock ’n’ Roll!

Leben zwischen Geheimdiensten und Technologiefirmen.

Zur Zeit läuft Olivers Stones „Snowden“ im Kino. Die Geschichte um Edward Snowden ist vielleicht eine der unglaublichsten Geschichten der Gegenwart: in einer Zeit, in der im Hochgeschwindigkeitszugtempo die Welt digitalisiert wird, verschafft sich der US-Geheimdienst NSA Zugriff zu all diesen mobilen Daten. Zu allen. Im Vergleich zu den Datensätzen der NSA schritten Stasi, KGB, CIA oder MI5 durch Täler der Ahnungslosigkeit.

Doch wer interessiert sich schon für Snowden? Asyl in der Schweiz hat er jedenfalls nicht erhalten. Dabei geht es hier um das Internet-Thema Nummer 1: Datensicherheit. Müsste jedermann etwas angehen. Doch gerade Datensicherheit scheint eins dieser Themen zu sein, für die sich lediglich eine Minderheit interessiert, eins dieser Themen, in denen die Medien am (Des-) Interesse des „Volkes“ vorbei schreiben. Datensicherheit beginnt und endet heutzutage bei der eigenen Kreditkartennummer. That’s it. Schon bei den Passwörtern werden viele Leute nachlässig – und das, obwohl unsere digitale Privatsphäre sich genau auf die paar wenigen Buchstaben beschränkt, mit denen wir unsere Accounts öffnen.

Dabei dürfte seit Edward Snowdens Enthüllungen wirklich jeder und jedem klar sein, dass das Internet längst nicht (mehr) dieses urdemokratische, kosmopolitische Post-Hippie-Freiheitsmedium ist, als das es angeblich einst in die Welt gesetzt wurde. Inzwischen ist das Internet ein Imperium, das von Geheimdiensten und Silicon-Valley-Technologiefirmen kontrolliert wird.

Was wir daraus ableiten, ist aber lediglich (wie mir neulich ein IT-Spezialist erklärte): Solange wir uns nicht schützen, werden wir für Geheimdienste auch nicht verhaltensauffällig. „Zum Beispiel würde ich nie den TOR-Browser herunterladen.“ Denn, so die Logik des IT-lers: Wer den digitale Spuren verwischenden TOR-Browser benutzt, ist in den Augen der Geheimdienste ein Waffendealer oder ein Terrorist. Dass man demgegenüber als unbekümmerter Surfer zum Menschen wird, dessen Privates aus Daten rekonstruiert werden kann und der damit seine Privatsphäre verliert, scheint von vielen als unveränderlich hingenommen zu werden.

Die Frage, ob es zwischen diesem Ausgeliefertsein und radikaler Internetabstinenz einen Mittelweg gibt, scheint sich kaum jemand zu stellen. Dabei wäre es durchaus im Sinne eines Statements als mündiger Bürger zu verstehen, hin und wieder verschlüsselte, diskrete, schlecht auswertbare Systeme zu verwenden. Also Suchmaschinen wie duckduckgo.com, qwant.com oder swisscows.ch, auf anonymes Surfen ausgerichtete Proxy-Server, Alternativen zu Whatsapp wie Wire, Wikr me, Signal oder Threema (sofern man Freunde dafür begeistern kann) und so weiter. Es muss ja nicht unbedingt der Tor-Browser sein, der in den letzten Jahren immer mehr in Verruf geriet (weder kann er vor Googles oder Facebooks Datensammelwut schützen, noch vor der Überwachung der US-Regierung, von der er schliesslich entwickelt wurde).

Viele dieser Anwendungen bleiben bei nicht-fachgerechter Anwendung lediglich ein Statement. Doch selbst ein Statement kann ein Anfang in eine mündigere Zukunft sein.

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Das ist ein Gastbeitrag von Michael Kathe.

Suchmaschinen-Fetischismus: Optimiere mich!

Inhalte für Suchmaschinen gestalten treibt gelegentlich seltsame Blüten, auch für Leserinnen und Leser.

Sätze verkomplizieren sich mit substantivierten Verben und werden zu unfassbar wichtigen Aussagen hochstilisiert, jedoch ohne eine nachprüfbare Argumentation bereitzuhalten; die Content-Marketing-Autoren schiessen zusätzlich verzweifelt mit leeren Worthülsen um sich und erweitern ihr sprachliches Repertoire mit banalen und wortreichen Hohlphrasen, um auch dem allerletzten Suchmaschinenbot zu gefallen.

Genug der nichtssagenden Worte. 😉

Was für ein Drama diese einseitige Liebeserklärung doch ist: Auf der einen Seite die vom Marketing gepeitschten Schreiberlinge, die lechzend den Bots und den dahinter liegenden Algorithmen nachhecheln und – unbedingt! – verstehen wollen, wie sie funktionieren, und auf der anderen Seite ebendiese Bots, die durchaus immer besser verstehen, wer sie mit schlechten Inhalten zu beschwindeln versucht.

Das digitale Katz-und-Maus-Spiel gewinnen heute schon die Bots, denn die Algorithmen werden nicht nur von Tag zu Tag schneller und umfassender, sondern eben auch fähiger in den Analysen.

Viele Optimierungskonzepte der letzten Jahre – gar Jahrzehnte – stehen vielleicht endlich zur Diskussion. Oder aber man besinnt sich wieder der alten Weisheiten, dass ein Text für Menschen (und nicht für Bots) geschrieben wird und ein professioneller Redaktor durchaus wissen sollte, wie man gute Texte schreibt, damit sie gelesen und verstanden werden – und die dann auch ihren Preis haben (müssen).

Jedenfalls sehne ich mich nach Besprechungen, wo über gute Inhalte diskutiert und nicht nur über suchmaschinenoptimierte Textfragmente gequasselt wird.