Bis hierher und nicht weiter!

Der letzte Newsletter hat erstaunlich viele Rückmeldungen ausgelöst: danke dafür!

Die Frage nach Kreativität, Authentizität und einem möglichen Bewusstsein von KI beschäftigt viele: Äusserst interessant, wie manche geschrieben haben, KI-Tools zu nutzen und sich gleichzeitig dafür zu schämen.

Dabei gilt wohl eine ähnliche Haltung wie mit dem Datenschutz: Wo es bequem ist, tanzt man mit dem Teufel – aber das brauchen nicht alle zu wissen.

Die Integration generativer KI in den Kreativprozess ist jedenfalls ein äusserst kontroverses Thema.

Dass KI ein Werkzeug unter vielen sein kann, steht ausser Diskussion. Aber ob KI-Modelle auch als Inspirationsquelle dienen können, ist aufgrund ihrer Wirkungsweisen zu diskutieren: Statistik, Trainingsdaten, Algorithmen, Hersteller, Betreiber, wirtschaftliche Interessen sind nur wenige Stichworte.

Denn dass KI wiederkehrende Aufgaben übernehmen kann, liegt auf der Hand – aber können «LLM» (Large Language Model) auch als Inspirationsquelle dienen?

Viele mögen sich an die Diskussionen erinnern, bei denen den Berufsberaterinnen und -beratern vorgeworfen wurde (und wird), sie würden nicht Berufsbilder empfehlen, die den Bedürfnissen der Menschen, sondern einzig den Interessen der Wirtschaft entsprächen.

Kein Zusammenhang?

Was, wenn «KI-Modelle» aus genau diesem Grund nicht unabhängig «funktionieren»?

Generative KI verändert die Kreativindustrie der Werbung, des Marketings, der Buchbranche, der Fotografie etc. – eben weil sie bequem ist, eben weil sie effizient sein kann, eben weil es «Batzen» spart.

Die Kunst sollte hierzu wieder den Gegenpol einnehmen: «Bis hierher und nicht weiter», möchte man schreiben.

Doch so einfach ist es nicht mehr, denn «wir werden sie (wahrscheinlich) nicht mehr los, die Geister, die wir riefen».

Oder …?

Kreativ & glaubwürdig?

Wenn KI-Tools Texte schreiben, Zeichnungen anfertigen, Musik komponieren oder Bilder generieren, die von menschlichen Kreationen kaum mehr zu unterscheiden sind, stellt sich die Frage, was entscheidender für die Beurteilung der Echtheit eines Inhalts ist: seine Qualität oder sein Ursprung?

Oder anders gesagt: Ist es relevant, wer oder was etwas geschrieben, gezeichnet oder komponiert hat, oder ist vor allem die Qualität des Werks ausschlaggebend?

KI kann Kunstwerke schaffen – und dies (leider?) mit beeindruckender Qualität und einer mehrheitsfähigen Kreativität (!).

Brockhaus definiert «Kreativität» als «schöpferisches Vermögen, das sich im menschlichen Handeln oder Denken realisiert und einerseits durch Neuartigkeit oder Originalität gekennzeichnet ist, andererseits aber auch einen sinnvollen und erkennbaren Bezug zur Lösung technischer, menschlicher oder sozialpolitischer Probleme aufweist».

Kreativität ist folglich viel mehr als die Skizze oder der Text allein. In der menschlichen Kreativität wird eben auch ein emotionaler Konflikt verarbeitet, sie beinhaltet eine Kommunikationsabsicht des Künstlers.

Und damit vermischen sich Kreativität und Authentizität zu einer einzigen Grösse: Denn erst das Zusammenspiel und Durcheinanderwirbeln von Wissen, Erfahrung, Traumata, Glück, Emotion, Intuition (!), Liebe und Verstossensein, welche alle künstlichen Intelligenzen nur simulieren können, und einem «verarbeitenden» Prozess – sei es Schreiben, Zeichnen, Komponieren, Gestalten, Nach- und Querdenken – machen glaubwürdige Kreativität aus.

«Echte» Kreativität ohne Bewusstsein ist folglich nicht möglich, sondern spiegelt maximal eine statistische Berechnung und Simulation wider.

Doch können wir uns sicher sein, dass das stimmt …? Oder steht womöglich zusätzlich unsere Definition von Bewusstsein auf der Kippe?

Was waren die Probleme?

Die Faszination für künstliche Intelligenz hat seit der Lancierung von ChatGPT die Marketingwelt, Webstrategen, -konzepter und -designer, Texter und alle nah- und fernverwandten Berufe im Sturm erobert.

Mit Versprechen von Automatisierung, Personalisierung und Effizienzsteigerung werden seither inflationär vermeintlich neue Technologien wie Wundermittel gefeiert. Doch abgesehen davon, dass wir seit Jahren (!) mit «KI» (im Hintergrund) leben und arbeiten, stellt sich inmitten dieser fast beängstigenden Euphorie die grundlegende Frage: Welche Probleme lösen wir damit?

«KI» bietet Lösungen für nahezu jedes denkbare Szenario: Datenanalyse, Kundeninteraktion, Automatisierung, … – aber sind diese Lösungen notwendig?

Gibt es denn «das» Problem, welches es zu lösen gilt? Oder wird die Technologie um ihrer selbst willen gefeiert?

Ist «KI» unser neues Goldenes Kalb?

Agenturen, Unternehmensberaterinnen, Manager, Webverantwortliche oder CTOs stürzen sich auf neue Tools und Plattformen, geblendet von den Möglichkeiten, die ihnen womöglich von Menschen (!) versprochen oder (Paradoxon!) im LinkedIn-, Instagram- oder Facebook-Stream von einem Algorithmus – «KI»! – vorgeschlagen wurden.

Natürlich sind Predictive Analytics, Chatbots, automatisierte Content-Erstellung, günstige Bilder, dynamisch erstellte Protokolle oder scheinbar kostenlose Übersetzungen etc. verlockend.

Wenn wir jedoch «KI» unkritisch einsetzen, riskieren wir, sie zu unserem neuen Goldenen Kalb zu machen, einem Symbol blinder Verehrung.

Die neuen technologischen Möglichkeiten als das zu betrachten, was sie sind – mächtige Werkzeuge, einzusetzen mit Bedacht und im richtigen Kontext –, integriert sie im Alltag, ohne dort disruptiv zu wirken, wo es sinnlos ist.

Was wohl auf den ersten Tontafeln von Moses stand?