Mehr Tassen im Schrank.

Neulich hat mich Peter mit bohrendem Blick gefragt, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Das hat mich gewundert, denn die Frage kam – für mich – aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung. Aber ja, antwortete ich, meine Tassen seien zwar mittlerweile ein bisschen alt und an manchen Stellen abgewetzt oder abgeschlagen, aber anzahlmässig hätten sie sich in letzter Zeit eher vervielfacht und keine Dezimierung durchgemacht.

Dass sich die Stimmung mit dieser Antwort nicht bessern liess, sondern weiterhin im frostigen Kellergewölbe hauste, lag wohl eher an meiner denn an Peters Sturheit. Aber, so erwiderte ich weiter, ich stünde wohl auf dem Schlauch. Und ich betonte – um keine Zweifel an meinem Willen zur Diskussion aufkommen zu lassen – den Satz mit einem grossen Fragezeichen.

Doch meine Bemühungen waren umsonst, das Gespräch beendet, sein Bierglas halb leer, mein Wasserglas halb voll, seine Verabschiedung ausserordentlich kühl und mein Friedensangebot („Nächste Woche, gleiche Zeit?“) mit Terminkollisionen ausgeschlagen.

Dabei hatte ich einzig in einem Nebensatz erwähnt, dass ich es für falsch erachte, Kunden mit eigenwilligen Technologien, Tools und Apps auf Jahre an eine Agentur zu binden, sondern dass es weitsichtiger sei, Kunden über intelligente Dienstleistungen, solide und fundierte Beratungsqualitäten und transparente Preispolitik zu binden. Bindung, so meine Worte weiter, verliere dann seinen negativen Beigeschmack und wandle sich in eine echte Partnerschaft. Aber vor einer echten Partnerschaft, so meine bescheidene Erfahrung, hätten noch viel zu viele Webagenturen Angst.

Wie das Gespräch ausging, wissen Sie ja bereits.

Ein paar Tage später habe ich Peter eine Tasse geschenkt. Die Aufschrift lautet: „Für Deinen Schrank.“

Liftfahren.

Das neue Jahr 2013 war kaum eine Stunde alt, schon lief mir ein Geschäftsgenosse über den Weg: Auch er ursprünglich gelernter Kommunikationsberater, nun aber Chef de Réception eines renommierten Hotels und damit noch näher am Kunden als früher.

Wenn sich nun Zwei finden, die ein gemeinsames Thema zum philosophieren entdecken, so geht’s – Sie kennen das bestimmt aus eigener Erfahrung zu Genüge – ziemlich schnell und direkt zur Sache. Vor allem wenn kein Futterneid zwischen den Gesprächspartnern herrscht.

Und so schoben wir uns gegenseitig die Internet-Stichwörter der letzten fünfzehn Jahre zu und ein jeder von uns wusste dazu eine Geschichte oder aber mindestens eine kleine Weisheit zu berichten: Angefangen beim ersten (legendären) Netscape Navigator über den Jahre dauernden Browserkrieg zu den Anfängen von Google und den bewegten Bilder im Web bis hin zum katastrophalen Börsengang des zuckerberg‘schen Imperiums amüsierten wir uns köstlich und kurzweilig.

Auch ein kurzer Ausblick auf das neue und noch jungfräuliche Jahr durfte natürlich nicht fehlen. Themen wie die Netzneutralität, der Datenschutz, die erweiterte Realität (Augmented Reality), das Rechnen in der Wolke (Cloud-Computing) oder Unternehmen wie Facebook, Apple, Amazon, Samsung und Microsoft – so waren wir uns in der mittlerweile leidenschaftlich geführten Diskussion einig – werden uns im 2013 beschäftigen und für interessanten Gesprächsstoff sorgen.

Im Lift, der uns beide in den zweiten Stock fuhr, erwähnte mein Gesprächspartner (endlich!) den Grund seines Rückzugs aus dem Internetgeschäft. Wenn alle Kunden, so seine Worte, verstanden hätten, dass Websites nicht komplizierter als die Bedienung von Liften sein dürften, dann würde er wohl noch heute Websites bauen.

Daran arbeite ich auch. Tagtäglich.

Und zum Glück – so meine bescheidene Erfahrung – wollen immer weniger Kunden „stecken bleiben“.

Falsches Spiel.

Damit Sie nicht denken, der Bernardini habe schon wieder Lotto gespielt, beginnt diese Kolumne nicht mit einer runden und grossen Zahl.

Was aber im Grunde sehr schade ist, denn der Kolumnentitel „10‘000 Fans für nichts“ hätte bestimmt den einen oder anderen Leser, der diese Ihnen vorliegenden Seiten bereits überblättert hat, aufgehalten und zum Lesen animiert.

Wie mir ein befreundeter Client-Service-Director (Werbeberater mit Cheffunktion) jüngst erzählte, hat ein namhaftes Immobilien-Unternehmen, um von knapp wenigen Hundert Facebook-Freunden auf sagenhafte 10’000 Freunde zu wachsen, ordentlich in die Tasche gegriffen. So wurde nicht nur in ganz viele Anzeigen auf Facebook und im Google-AdWords-Netzwerk investiert, sondern es wurden – entgegen der Empfehlung der Werbeagentur – auch „Freunde“ eingekauft.

Das Prinzip des Freundekaufens ist weder neu noch kompliziert aber dennoch effektiv: Firmen (mit wenigen Freunden) bezahlen anderen Firmen (mit wahnsinnig vielen Freunden) – zum Beispiel – 25 Rappen für die Vermittlung eines Freundes. Diese dubiosen Firmen überweisen ihrerseits dann fünf Rappen den eigenen, klickfreundlichen Freunden.

Nun ist aber ein kleiner aber wichtiger Unterschied zu bemerken: Die Freunde der Vermittler-Firmen sind hauptsächlich schlaue Leute, die gerne einfach Geld verdienen wollen. An den vermittelten Unternehmen haben sie nur insofern Interesse, als dass sie ein paar Rappen pro Klick auf „FreundIn hinzufügen“ erhalten.

Dass sich nun die 10‘000 Freunde weder auf der Facebook-Fanseite noch im Umsatz bemerkbar machen, erstaunt niemanden. Die Lehre daraus ist einfach: Freunde kann man nicht kaufen – man muss sie sich auch im Internet verdienen.

Mit Lottospielen hätten die Immobilien-Leute nicht mehr verloren, aber vielleicht einiges mehr gewonnen. Mehr Spass hätte es auf jeden Fall gemacht.