Von der Komplexität der Einfachheit.

Gewisse Regeln sind so dermassen einfach, dass man gut daran täte, sie nicht erklären zu wollen. Doch manchmal sind Menschen von der Einfachheit überfordert, was – um es in den Worten meines früheren Chefs zu wiederholen – nur oberflächlich ein Widerspruch zu sein scheint.

Als Synonyme für Einfachheit gelten Schlichtheit, Simplizität und Schnörkellosigkeit, aber es kann auch für Bescheidenheit stehen. Das Wort ist nicht nur positiv bewertet: Wenn beispielsweise ein Mensch als einfach bezeichnet wird, so schwingen oft auch Adjektive wie uninteressant, dumm oder einfältig mit.

In der Unternehmenskommunikation verhält es sich ähnlich wie mit Menschen – und damit wird die Sachlage komplex. Gerade wegen der omnipräsenten, digitalen Kommunikation und Informationsflut sind Menschen überfordert. Die Informationstechnologie, die einst angetreten ist, um unser Leben zu vereinfachen, nimmt und engt uns immer mehr ein. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Alles, was erklärt werden muss, hat im Alltag keine Chance.

Wird das Prinzip der Einfachheit auf eine Website übertragen, so bedeutet dies nichts weiter, als dass eine ebensolche von einer starken Idee getragen, inhaltlich einfach strukturiert und textlich gut geschrieben sein sollte.

Genau daran scheitet aber ein Grossteil aller Websites im weltweiten Informationsdschungel: Unternehmen, komplexe Angebotspaletten, erklärungsbedürftige Produkte oder Dienstleistungen verständlich zu beschreiben und bildlich darzustellen ist die höchste (und schwierigste) Form der Kommunikation.

Einfach zu kommunizieren, ist eine komplexe Angelegenheit: Man muss den Mut haben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und dennoch nicht eintönig oder langweilig zu wirken.

Heidi, lass dein Haar herunter!

Über die Macht der Geschichten brauchen wir uns nicht im Detail zu unterhalten. Dass nämlich im Titel etwas falsch ist, merkt man sofort. Rapunzel war es, die von der Zauberin zum Herunterlassen der Haare aufgefordert wurde; Heidi hingegen – na, wer kennt Heidi nicht?

Aber will ich wirklich über Märchen schreiben?

Vor ein paar Tagen war ich an einer Sitzung, an welcher wir in grosser Runde darüber diskutiert haben, was eine gute von einer schlechten Website unterscheidet. Es fielen – wie so oft – die allgemeingültigen Stichwörter Innovation, Design, Content, Reason-Why, Call-To-Action-Elemente etc.

Nun fällt meine Stimmung per Naturgesetz einen Stock tiefer, wenn man mich mit denglischen Ausdrücken konfrontiert. Aber es ist gewiss einfacher, sich mit Innovationen zu schmücken, als von der Anwendung neuer Verfahren und Techniken zu sprechen. Und von Content reden, anstatt gute Inhalte zu fordern, macht aus jedem Assistenten einen Marketingprofi. Natürlich bedeutet nicht jedes Fremdwort das Ende der deutschen Sprache, aber anstelle von «Call-To-Action» zu palavern, könnte man von der Handlungsaufforderung an den Website-Besucher sprechen.

Dass Fremdwörter die Diskussion unter Fachleuten vereinfachen, lass ich nicht gelten. Zu oft hat man mir in ebengenannten Kreisen «Call-To-Action» mit «Ruf eine Aktion an» erklärt. Das erinnert an die legendäre Douglas-Werbung «come in and find out», wo es – ganz ehrlich! – nicht darum ging, wieder aus dem Laden zu finden.

Gute Websites unterscheiden sich von schlechten Websites durch den Inhalt und die Benutzerführung. Punkt. Will man Ihnen etwas anderes weissmachen, «rufen Sie einfach eine Aktion an» und verlassen Sie die Märchenstunde. 😉

Heidi war nun mal nicht im Turm eingesperrt. Ehrenwort.