Kannibalisiert der Online-Shop den stationären Handel? – eine Diskussionsbeitrag von Diego Bernardini

Um es gleich vorwegzunehmen: Jain – der Online-Handel kannibalisiert den stationären Handel nicht (fest). Zugespitzt lässt sich feststellen, dass die geschickte Verknüpfung aller Informations- und Vertriebskanäle für erhöhte Kundenzufriedenheit und damit auch für mehr Umsatz sorgt. Im 21. Jahrhundert existieren die Vertriebskanäle aus Kundensicht nicht nebeneinander, sie werden während eines Kaufprozesses sogar beliebig kombiniert.

In der Folge bedeutet dies, dass das sogenannte „Cross-Channel-Management“ – die Verknüpfung von mehreren Informations- und Einkaufsmöglichkeiten – für gute Wachstumschancen sorgt, die ein rein stationärer Händler heutzutage nicht mehr unbedingt hat. Dem reinen Online-Händler entgehen diese Wachstumschancen selbstredend natürlich auch.

Es geht um den Kundennutzen

Die Wachstumschancen der Händler ergeben sich aus dem veränderten Einkaufsverhalten der Kunden. Es sind die technologische Entwicklung und die Verbilligung von Endgeräten in den letzten Jahrzehnten, die den Kunden neue Möglichkeiten bieten. Wenn wir als Konsumenten etwas lieben lernen, dann, weil wir einen subjektiven oder gar einen effektiven Nutzen daraus ziehen können: Alles andere versinkt im Ozean technologischer oder konzeptioneller Einbahnstrassen. Die Chance, aus verschiedenen Möglichkeiten wählen zu können, gewinnt langfristig eindeutig gegenüber einer Einbahnstrasse. Die zunehmend multioptional handelnden Kunden wollen während des gesamten Kaufprozesses immer häufiger zwischen mehreren Informations- und Einkaufskanälen wechseln: So informieren sie sich in der Zeitung oder im Fernsehen über ein Produkt, überprüfen die Verfügbarkeit im Internet, lassen sich in einem Laden persönlich beraten, kaufen und bezahlen dann aber online, fragen den Lieferstatus per SMS ab und holen das Produkt entweder im Laden ab oder lassen es sich nach Hause liefern. Wenn dann doch etwas nicht zufriedenstellend ist, greifen viele Kunden noch immer zum altbewährten Telefon, schreiben eine unangenehme E-Mail oder lassen ihrem Unmut auf einer der zahlreichen Social-Media-Plattformen freien Lauf. Um diesem modernen Kundenbedürfnis gerecht zu werden, müssen Händler – egal welcher Grösse und mit welchem Umsatz – über Cross-Channel-Management nachdenken. Es bleibt natürlich eine strategische Unternehmensentscheidung, welche Kanäle man bedienen will (oder kann); das moderne Kundenbedürfnis bleibt davon jedoch unberührt. Die zur Verfügung gestellten Kanäle definieren höchstens die Art und Weise, wie ein Händler mit dem Bedürfnis nach Multioptionalität der Kunden umzugehen gedenkt. Es geht dabei um den höheren (und geforderten) Gesamtnutzen. Was bei einer Website die „User Experience“ – das Benutzererlebnis beim Besuch einer Website – ist, ist beim modernen Wareneinkauf die „Customer Experience“: das Kundenerlebnis.

Einkaufen ist schon lange kein rein organisatorischer Ablauf mehr, sondern muss – sogar bei der Besorgung von Lebensmitteln oder von low-interest-Produkten – zum Erlebnis werden. Selbstverständlich nervt eben formulierte Aussage, weil es im 21. Jahrhundert eine Binsenwahrheit sein sollte. Aber Hand aufs Herz: Haben es wirklich alle Händler in der kleinen-grossen Schweiz begriffen und verinnerlicht?

Logische Entwicklung der letzten Jahrzehnte

Denn obwohl „Single-Channels“ während Jahrzenten gut funktioniert haben, sind sie aus Sicht des Gesamtmarktes und des modernen Kunden vorbei. Der Siegeszug des Internets, die Entwicklung von immer leistungsfähigeren und für den Massemarkt erschwinglichen Endgeräten haben neue Bedürfnisse entstehen lassen und damit das Verhalten und die Wünsche von Kunden verändert. Diese unaufhaltsamen Neuerungen haben zur „Multi-Channel“-Strategie geführt: Über mehrere Kanäle kann der Kunde das gleiche oder ähnliche Angebot zum gleichen oder fast gleichen Preis einkaufen – allerdings werden die Kanäle dabei nur marginal bis gar nicht miteinander verknüpft. Viele Händler und Unternehmen in Schweiz haben diese marktlogische Entwicklungsphase bereits erreicht. Aus dieser Phase heraus ergeben sich – im Gegensatz zum „Single-Channel“-Dasein – verschiedene Wachstumschancen: Grössere Präsenz und damit auch eine bessere Auffindbarkeit im Markt stärken die eigene Marke, was wiederum insgesamt positiv auf bestehende Kunden wirkt, neue Kunden anzieht und damit den Umsatz wachsen lässt.

Marktleader jedoch – wie zum Beispiel Coop, Jelmoli, Tchibo oder auch Digitec (die zwar mittlerweile auch zur Migros gehören) – haben bereits den nächsten Schritt und damit die Phase des „Cross-Channel-Managements“ erreicht und bedienen ihre Kunden vernetzt über alle Informations- und Vertriebskanäle. Damit können Kunden barrierefreies „Channel-Hopping“ betreiben – sie wechseln nach Lust und Laune und auch innerhalb eines einzelnen Kaufprozesses von Kanal zu Kanal. Dass dies verschiedene Anforderungen an den Händler stellt, soll nicht unerwähnt bleiben. Denn gerade die klare Differenzierung der einzelnen Kanäle ist ausserordentlich wichtig, da der Kunde wissen muss, welchen Mehrwert ihm ein einzelner Kanal zu bieten hat. Im Gesamtpaket entstehen wiederum weitere (und noch bessere) Wachstumschancen: Bestehende Kunden sind zufrieden, weil ihr Bedürfnis nach Wahlfreiheit befriedigt wird, das schafft eine starke Bindung zur Marke und es verhindert eine Abwanderung zur Konkurrenz. Der Effekt geht gar so weit, dass man nicht mehr nur von Kundenakquisition und –bindung spricht, sondern auch von Kundenentwicklung: Das Interesse für weitere Produkte des Händlers steigert sich durch den Online-Shop und damit steigt auch die Nachfrage (Emrich & Rudolph, 2011).

Als „Cross-Channel“-Anbieter bietet man dem Kunden mehr Bequemlichkeit beim Einkauf, eine grössere Flexibilität und ein einfacheres und damit besseres Einkaufserlebnis durch das „Channel-Hopping“.

Eins bleibt unverändert

Das Kundenvertrauen in den Händler ist jedoch immer noch das wichtigste Argument im Kaufprozess und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Im Händler-Haifischbecken gewinnen die, welche das Vertrauen der Kunden haben und jeden Tag aufs Neue zu gewinnen wissen.

Wie gut, dass gewisse Marktregeln von Bestand sind.

 

Yes, we scan.

Als Obama den Amerikanern und der Welt 2008 ein neues Amerika verkaufte, hat er uns ganz schön hinters Licht geführt – dieser Schlingel.

Für freie Journalisten sind die Öffnungszeiten in Guantanamo bis heute inexistent, und dass nicht mehr so viele Soldaten in Auslandeinsätzen sterben, hat weniger mit einer verminderten Kriegslust als vielmehr mit einer gnadenlos effizienten Drohnenstrategie zu tun. Man hat uns Freundschaft angeboten und gleichzeitig digitale Kontrolle übergestülpt.

Ich bin kein Feind Amerikas. Dem Land gilt für viele seiner Eigenschaften meine Bewunderung: die bedingungslose Redefreiheit, die technologische Effizienz und Kreativität, die Natur und in gewisser Weise auch seine nicht immer unsympathische Arroganz.

Die bedingungslose Redefreiheit ist aber alles andere als bedingungslos, wenn jede Mail, jede Datei, jedes Skypetelefonat weltweit überwacht, archiviert, mit Stichworten versehen und auf potenzielle Terrorismusnähe analysiert wird. Natürlich muss Terrorismus jeder politischen Schattierung bekämpft und ideologisch ausgerottet werden. Das ist keine Sinnfrage, sondern eine Frage von Vorgehensweise und demokratischem Verständnis.

Wenn ein Staat in meine E-Mails, meine Dateien, meine Verbindungsdaten schnüffelt, dann verletzt das meine Privatsphäre und macht mich grundlos zum potenziell Verdächtigen.

Darf ich Ihren Briefkasten leeren? Ihre Mails checken? Die Dropbox-Daten angucken? Ihre Geschäftsgeheimnisse lesen?

Der Skandal ist nicht nur, dass wir flächendeckend überwacht werden, sondern auch unsere Gleichgültigkeit.

Unser Opportunismus ist zu gross. Auf die Vereinfachungen amerikanischer Technologien möchten wir nicht verzichten: Google, Facebook, Dropbox, iPhone & Android, G-Mail und Skype sind Weltklasseprodukte.

Wie war das nochmals mit der technologischen Effizienz und Kreativität Amerikas?

Es wird Zeit, dass wir aufholen.