Virtuelle Wasserwaage?

Ob wir unsere Wanderung am Wochenende per GPS aufzeichnen oder überprüfen, ob der soeben einsetzende Regen auch „online“ angezeigt wird (und ob er bald aufhört): Seit Jahren schon sind „Apps“ nicht mehr aus unserem digital-mobilen Leben wegzudenken.

Die Mini-Programme, die als „Apps“ (Kurzform für application) bezeichnet werden, haben ihren fulminanten Siegeszug der intelligenten und ausserordentlich erfolgreichen Digital-Lifestyle-Strategie von Apple zu verdanken. Zwar hat nicht Apple das Konzept der mobilen „Apps“ erfunden, aber ohne das iPhone, welches bis heute dem Unternehmen in Cupertino einen Umsatz von sagenhaften 150 Milliarden Dollar beschert hat, hätte es noch ein paar Jahre länger gedauert, bis wir den berührungsempfindlichen, aber mühsam kleinen Bildschirmen verfallen wären.

Auch für die Baubranche werden mittlerweile Apps von verschiedensten Anbietern programmiert und – im besten Fall – für alle drei wichtigsten Betriebssysteme (iOS, Android, Win8) teils kostenlos, teils auf Bezahlung zum Download angeboten. Dass die Anwendungsmöglichkeiten in der Baubranche vielfältig sind, ist offensichtlich. Dabei kann eine gute App durchaus den Vertrieb unterstützen, vor Ort bei der Planung oder der Kontrolle der Fachfrau oder dem Fachmann dienen, gar ein intelligentes Warenwirtschaftssystem unterstützen oder dem Kunden bei der Auswahl von Produkten oder Farben eine gute und sinnvolle Hilfe sein. Apps kalkulieren Finanzierungspläne für die eigenen vier Wände, zeigen auf Fingertipp die Kostenersparnisse beim Austausch von der Einfach- zur Wärmeschutz-Isolierverglasung oder aber berechnen die Steiggeschwindigkeit von Beton. Die Liste liesse sich nicht nur für bereits bestehende Apps beinahe endlos weiterführen, sondern auch mit Ideen für neue und spannende Apps ergänzen.

Dass ebendiese Inhalte auch über einen normalen Browser – sei es Firefox, Internet Explorer oder Safari – im Büro aufzurufen sind, wissen Sie spätestens wenn Sie von der Baustelle zurück ins Büro gehen oder abends dem Fernseher entsagen und „nur noch ein bisschen“ surfen. Auf einem mobilen Endgerät (wie zum Beispiel dem Galaxy SIII von Samsung, dem iPhone von Apple oder dem Lumia von Nokia) können aber Inhalte über eine App viel genauer angezeigt und exakt auf das Betriebssystem optimiert werden. Unterm Strich bedeutet das in erster Linie für den Benutzer eine höhere Benutzerfreundlichkeit und eine klare Ausrichtung der Inhalte. Für den Anbieter ist eine App gleichwohl ein äusserst mächtiger Kommunikationskanal über den man neue Kunden gewinnen, aber (und!) auch besser und langfristig an sich binden kann. So lässt sich der Anwender über eine App persönlich ansprechen, über Sonderangebote informieren oder bei speziellen Aufgaben sogar beratend helfen.

Dabei herrschen ähnliche Mechanismen wie bei normalen Website-Inhalten: Nur wenn der Anwender der App (und damit dem Anbieter) vertraut, kann eine seriöse Kundenbeziehung über diesen ausserordentlich spannenden Kanal aufgebaut werden.

 

48-Mal-abgemeldet.

Ziemlich genau vor vier Jahren, im November 2008, meldete ich den Newsletter einer Westschweizer Bausanierungsfirma zum ersten Mal ab.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2012 und der Newsletter von ennet dem Röstigraben erreicht mit unverschämter – und monatlicher – Regelmässigkeit noch heute meinen elektronischen Briefkasten. Dass eine Bausanierungsfirma viel zu erzählen weiss und auch juristische und handwerkliche Tipps auf Lager hat, macht die Sache aber tatsächlich nicht besser: Denn obschon zwischen An- und Abmelden nur ein einziger Buchstabe den Unterschied macht, so ist er doch entscheidend.

Das scheint aber die dortige Datenbank nicht weiter zu interessieren. Alle paar Wochen meldet mein Mailprogramm den Eingang eines Newsletters aus dem Kanton Waadt. Und mit gleicher Regelmässigkeit überfliege ich die Tipps gegen Schimmelpilze oder die juristischen Hinweise für Asbestsanierer, um dann mit grösstmöglicher Härte auf den „Abmelden“-Link zu klicken. Aber weder sanfte noch harte Klicks haben es je geschafft, mich von diesem Newsletter zu befreien.

Letztes Jahr hat meine Computermaus – selig! – einen ausserordentlich harten Klick nicht überlebt. Und ich hätte ebendieser Firma fast eine Spesenrechnung über die Höhe meiner Computermaus und mindestens 36-Abmelde-Klicks à zwei Sekunden geschickt. Der Aufwand war mir dann aber zu gross und der mögliche Preis der Lächerlichkeit zu hoch.

Ob sich nun hinter dieser Taktik eine neue Form von Kundenbindung versteckt oder ob ich einfach zu dumm bin, um mich abzumelden, weiss ich nicht. Das ist aber auch nicht weiter schlimm.

Seit ein paar Monaten nämlich überfliege ich den Newsletter gewissermassen ganz gerne und klicke mit vollster Härte auf den „Abmelden“-Link:

Es ist eben doch Kundenbindung.